Raphael Nicholas
Raphael Nicholas
Raphael Nicholas
Raphael Nicholas
Raphael Nicholas

Saison 24/25

Zur Saison

Liebes Publikum,

nun, es ist so weit: die letzte Runde. Das TAG verlässt schon im nächsten Frühling die Räume an der Gumpendorfer Straße, hebt ab, löst sich auf, verfließt zu den Erinnerungen derer, die hier Theater miterlebt, mitgestaltet und mitgeträumt haben. Waren das nicht einige? Viele?

Sie alle haben das TAG zu dem gemacht, was es war, noch ist, doch bald nicht mehr sein wird. Und das, mag sein, ist traurig, aber auch schön. Die Theater der Vergangenheit und die der Zukunft sind nicht lagerbar und setzen im Fundus demnach keinen Staub an. Man kann nur sagen: „Es war … und wird sein …“.

Ein Zusammenfließen von Ideen, Vorstellungen, auch Größenwahn, Liebe, Bescheidenheit und letztlich auch Disziplin und Durchhaltevermögen. Und es gerinnt im Augenblick zu dem, was vor den wachen Sinnen der Zusehenden Eindrücke und Erlebnisse hinterlässt, welche in Folge ihr Leben vielleicht ein klein wenig verschönert, verzaubert, verärgert oder aber auch verändert haben.

Jaja, das Theater muss auch Geld einnehmen und man muss eben auch Unternehmer sein. Um es mit Goethes faustischem Theaterdirektor zu sagen: Man will, dass „der Strom sich nach der Bude drängt“! Tickets, die PR, der Verkauf, die Zahlen, die Bilanzen, die Lasten, die Kosten, die Auslastungen und auch Auslassungen der Zweit- und Drittmittel, Anzeigenerlöse auf Drucksorten, denn, mein lieber Schwan, wenn keine*r drinnen sitzt … kommt man auch in den ideellen Welten der moralischen Anstalt nicht an und ernährt die Qual der Sinnentleerung.

Und in den Tiefen der Stadtverwaltung bildet sich ähnlicher, wenn auch zunächst komplementärer Geist, Erneuerung, Veränderung, Austreibung mittels Ausschreibung. Gut: Der städtische Vogel (und es ist nicht immer die Eule der Minerva) breitet seine Schwingen aus, nicht um auf milder Thermik in den Abend zu segeln, nein, sondern um zu brennen und aus der Asche wiederzuerstehen an der Gumpendorfer Straße. In neuem Gewand. Das Feuer der Erlösung und Wiedergeburt. Was aus, in und über den Räumen an der Gumpendorfer Straße in Zukunft wehen wird, wissen wir nicht. Wir können es nur ahnen, herbeiphantasieren und es aus der Ferne grüßen.

Wir sind bald die Vergangenheit. Wir waren einmal auch die Zukunft. Gegenwart sind wir noch eine dreiviertel Saison.

Und wir wollten und wollen das, was man auch in Zukunft hier wollen wird:

die Produktion von Theatervorgängen auf höchster handwerklicher, künstlerischer und professioneller Ebene innerhalb der schmerzlich empfundenen, aber immer wieder zur Höchstleistung antreibenden Begrenzung unserer Mittel.

Das war und ist die innere und äußere Vorgabe, an der man letztendlich oft scheitert, sie aber auch immer wieder zauberisch erreicht und im Einzelfall gelingt es manchmal sogar, sie zu übertreffen.

Es gab viel Lob und Kritik, Nominierungen, Auszeichnungen, viel Ermutigungen, gute Wünsche, aber auch die dunklen Stunden und die Gefühle von Verzweiflung. All das, die Konflikte, ihre Kompromisse, ihre Lösungen, waren versuchte Antworten auf das Problem, das da lautet: Wie kann das Theater zugleich unterhaltend und aufklärend sein?

Das klassische Repertoire bildete nicht ganz von Anfang, aber ziemlich bald die Basis dieser Versuche. Der riesige Berg von Weltliteratur, auf dem wir zumeist träge sitzen wie auf einem Haufen Gerümpel, dessen Sinn uns abhandengekommen ist. Den wir scheinbar nicht mehr brauchen und den wir billig zu verramschen versucht sind. Wir wollten daraus etwas machen, die einzelnen Texte wieder zum Schwingen und zum Glühen bringen. Sie neu fassen, sie übertragen in neue Formen und mit den neuen Formproblematiken auf der Höhe der Zeit umgehen. Gleichzeitig versuchten wir, die reine Freude des phantastischen und im Moment entstehenden Theaterzaubers durch improvisiertes Spiel dem Publikum zu zeigen und es auch in vielen Workshops dazu anzuleiten, diesem unmittelbaren Spieltrieb mit Handwerk zu begegnen.

Ein wunderbares Team formierte sich, nicht nur von Spielern und Spielerinnen, sondern auch von hoch leidenschaftlichen Leuten, die hinter den Kulissen immer unersetzbarer wurden. Dramaturginnen, Beleuchter*innen, Regieassistentin, Bühnen-, Ton- und Videotechniker*innen und vor allem ein großartiges Büroteam unter der Leitung eines ebensolchen kaufmännischen Geschäftsführers. Wir alle zogen letztlich an einem Strang, um diese Bühne aus den Untiefen ihres Beginnens in das Licht der langjährigen Solidität und also in den Erfolg zu führen. Und die Übung ist nicht nur auf der künstlerischen Ebene, sondern auch auf der organisatorischen und letztlich menschlichen Ebene, das traue ich mir zu, zu sagen, gelungen.

Jetzt steht, so berichtet man, ein neues Publikum vor den Toren des Theaters, ein multilinguales, migrantisches, das den urbanen Raum seit langem schon besiedelt und bespricht, jedoch noch nicht die Reflexions-Orte auffindet, um seine Themen und Moralen in der eigenen Sprache verhandelt zu sehen. Eine neue Schaubühne postmoderner und postmigrantischer Realität schlägt jetzt an der Gumpendorfer Straße ihre Zelte auf und man kann nur der von oben konzipierten Versuchsanordnung viel Erfolg und alles Gute wünschen. Mögen gleich einem Rollrasen diese verlegten Graswurzeln gut anwachsen im städtischen Theaterland und neue Blumen treiben.

Liebes Publikum, wir danken Ihnen für die jahrelange Neugierde, Begeisterung und auch für die Treue und die gute Erzählung, die heute das TAG auch ist und vielleicht noch ein wenig bleiben wird. Kommen Sie noch die kurze Zeit, solange es noch geht!

Die Schlussworte überlasse ich einer anderen Form der Zukunft, nämlich einem von der KI verfassten Chorgesang inspiriert von Max Frisch:

Aufleuchtet noch einmal der Tag, bevor er untergeht.
Tag der gelinden Verzückung, da sich der Schutzgeist erweicht.
Städtischer Vogel, dem Herz, dem schwergeprüften, entronnen
und der Behausung treu, Freude des bürgerlichen Augs!

Komm, mit glücklichem Flügelschlag segnest du dies Haus!
Bravo, die sichere Zuflucht der Braven. Die Mauer des Rechts.
Im Kampf gegen die Grille, die Fänge der Nacht, den Wahn stets
mit Flügeln des Winds kommen zurück die Worte des Schutzes.

In der Sonne funkelt, in der Sicherheit, Tag,
der Kerzen leuchtendes Haus.
Jetzt erscheinen die Liebenden in der Freude des Hauses.

Eines nach dem andern. Das geliebte Haus –
nichts kann es zerstören! Frieden für die Menschen,
die drinnen, wie für das glückliche Haus.

Gernot Plass
Künstlerischer Geschäftsführer