Lear
Frei nach Shakespeare
- Vorstellungsdauer
- ca. 120 Minuten, keine Pause
Uraufführung
Premiere: Fr. 24. Jän. 2025, 20.00
Derniere: Sa. 05. April 2025, 20.00
Zum TAG-Abschluss die größte Produktion seiner 20-jährigen Geschichte und ein Abgesang auf die patriarchale Hybris. Mit dem monumentalsten Klassiker überhaupt: Shakespeares "König Lear", dem Inbegriff männlicher Autorität. Gewalttätig, herrisch und jähzornig bis an die Grenze des Wahnsinns und darüber hinaus, gleichzeitig alternd und gebrechlich. Das Stück ist Vorläufer aller absurden Dramatik – ein Endspiel in the making, zeitgemäß aufbereitet von Gernot Plass und dem Ensemble des TAG.
Termine und Infos
Spielplan
Über Lear
Zum Abschluss ein Abgesang auf die patriarchale Hybris mit einem der größten Klassiker der dramatischen Dichtung: „König Lear“ hat im Laufe der Zeit ähnlich wie der „Hamlet“ den Status einer weltlichen Bibel angenommen. Expert*innen ziehen nicht unberechtigt Verweise zu Salomo, Hiob, Dantes „Göttlicher Komödie“. Ein Werk, das einen seiner Größe und Unendlichkeit halber schauern macht und nichtsdestotrotz eine herrliche Theatertauglichkeit aufweist.
König Lear ist der Inbegriff männlicher Autorität, König, Vater, irdischer Gott, Silberrücken. Gewalttätig, abhängig von verlogenen Schmeichler*innen, hungrig nach Liebe, herrisch, jähzornig bis an die Grenze des Wahnsinns und darüber hinaus. Und trotz alledem verwundbar und in seiner zunehmenden Altersschwäche sogar bedauernswert.
Er wird von Frauen in die Schranken gewiesen, gedreht, geschlagen, umerzogen, ja in den Wahnsinn getrieben. Von seinen Töchtern, die sich an ihm rächen, es ihm heimzahlen, die ihn auf eine Reise der Läuterung über die sturmverwehte Heide schicken. Ein Ritt ausgehend von machoider Grandiosität über den Zorn gegen Menschen, Umstände, ja selbst gegen die Natur, in den Aberwitz hinein und wieder hervor in die gefasste Bescheidenheit und die von Trauer und echter Liebe hervorgerufene Weisheit.
Der Vorläufer aller absurden Dramatik, ein Endspiel in the making. Zeitgemäß aufbereitet von Gernot Plass und dem Ensemble des TAG. Die größte Produktion des TAG in seiner 20-jährigen Geschichte. Ein Abschluss, der es nochmal ordentlich krachen lässt. Heult, heult, heult …. Yippije!
Team
- Es spielen
- Text
- Regie
- Ausstattung
- Dramaturgie
- Licht
- Ton
- Regieassistenz
- Regiehospitanz
- Kostüm- und Requisitenbetreuung
- Bühnentechnik
- Katja Thürriegl
- Peter Hirsch
- Cecile Püpke
- Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer
Foto-Galerie
Kritiken
“Gernot Plass gelingt mit ‚Lear‘ ein starker Abschied aus dem TAG. (…) Der angesichts des Stoffs überraschend lustige Abend voller feiner Regieeinfälle sorgte für nicht enden wollenden Applaus. (…) So niederschmetternd das Stück auch ist, Plass lässt im Laufe des zweistündigen Abends keine bleierne Schwere aufkommen. Immer wieder bricht er das rastlose Geschehen mit lustigen Einfällen und Zeilen, ohne dabei zu sehr am Klamauk anzustreifen. (…) Die Schauspielerinnen und Schauspieler machen allesamt einen tollen Job (…) Das modifizierte Ende lässt sich als Kommentar auf die Gegenwart und den heranpfeifenden Sturm lesen. ‚Macht doch eure Augen auf! Seht!‘ Diese Inszenierung? Gerne!”
“Gernot Plass begeisterte sein Publikum über die Jahre mit seinen Shakespeare-Bearbeitungen. Mit seiner Version von ‚König Lear‘ nimmt er jetzt Abschied. Die Geschichte des Herrschers, der abdankt und sein Reich auf seine drei Töchter aufteilen will, verlegt Plass in eine unbestimmte Zeit. Die Figuren agieren wie Kapitalisten in einer Streaming-Serie (…) Plass braucht zwei Stunden, bis am Ende alle tot sind. (…) Auch wenn man Shakespeares Sprache vermisst, sieht man dem Ensemble gerne zu. Jens Claßen ist ein toller Lear, changiert genuin vom Business-King zum Verrückten. Michaela Kaspar zeigt Goneril als echtes Ekel. Stefan Lasko beeindruckt als Edgar. Emanuel Fellmer, Markus Hamele, Felix Rank, Lisa Schrammel, Rüdiger Hentzschel und Georg Schubert werden wie alle Beteiligten bejubelt.”
“Obwohl der Stoff Shakespeares Tragödie folgt, präsentiert Gernot Plass mit seiner Abschiedsinszenierung von Lear im TAG eine ambitionierte Neuinterpretation, die gezielt Konventionen aufbricht. Plass setzt auf eine moderne Sprache, die zwischen prägnant und vulgär changiert. Ein markantes Stilmittel ist die satirische Überzeichnung vieler Szenen und Dialoge, ergänzt mit Anspielungen auf soziale Medien und Popkultur (…) Plass‘ Lear zeigt sich mit provokanten Brüchen wie diesen als experimentelle Adaption, die Shakespeare in die Gegenwart holt und mit modernen Stilmitteln verbindet.”
“Krönender Abschluss im TAG (…) Unter dem schlichten Titel ‚Lear‘ bringt Plass dies als letzte Produktion des TAG vor der Übernahme durch Sara Ostertag ebendort auf die abgesehen von einer Menge schwarzer Sessel leere Bühne. Ein bisserl modernisiert ist das Ganze und gestrafft. (…) Das zehnköpfige Ensemble, viele davon in mehr als einer Rolle, gibt in den knapp zwei Stunden alles. Und trotz einiger Spaßeinlagen bleibt es eine Tragödie. (…) Ein würdiger, sogar berührender Abschluss.”
“Das TAG, die kleine und feine Wiener Mittelbühne in der Gumpendorfer Straße, steht vor einem Wechsel. Mit der letzten Premiere der groß ausgerufenen Abschiedssaison hat der Regisseur und Intendant Gernot Plass noch einmal aus den Vollen geschöpft. (…) Zum anderen gestattet sich der Hausherr mit dieser Überschreibung von Shakespeares ‚König Lear‘ die ‚personell aufwändigste Produktion der TAG-Geschichte‘, um vielleicht noch einmal zu erfüllen, was er im Programmheft als seinen Auftrag als Theatermacher beschreibt: ‚Deutung der Welt und der menschlichen Angelegenheiten darin“. Das ist sympathisch und nicht nur aus Sicht des Theatermachers (Elfenbeinturm-Vorwurf) durchaus nachvollziehbar. (…) Plass macht in seiner Fassung deutlich, dass es ihm nicht um die (religiöse) Dimension des Stücks geht. So aber verkleinert er seinen ‚Lear‘ zum großbürgerlichen Familiendrama, aus deren Verfall alleine sich alle Katastrophen ergeben.”
“Insgesamt wird ‚Lear’ der Vorlage von Shakespeare mehr als gerecht. Die Übertragung auf die Gegenwart findet vor allem zu Beginn des Stückes mit lustigen aktuellen Anspielungen statt, im weiteren Verlauf wird es ernster. Die Parabel auf Hochmut und Machtbesessenheit ist aber auch ohne Aktualitätsbezüge gut begreifbar. Gernot Plass´ textliche Übearbeitung ist wie immer großartig: pointiert, lustig und sprachlich ein Genuss. Auf die Beschimpfungen, die sich die Charaktere an den Kopf werfen, wäre Shakespeare neidisch gewesen. (...) (Sara Ostertag) tritt in große Fußstapfen, denn das TAG hat in den letzten Jahren am laufenden Band großartige Stücke geliefert. Es bleibt zu hoffen, dass es mit seinem fantastischen Ensemble in Wiens Theaterlandschaft als kritische, innovative Bühne erhalten bleibt.”
Über die Produktion
Ja freilich – es ist natürlich auch das Stück der mächtigen alten weißen Männer. Das Stück ihrer Idiotie, ihrer Blindheit. Aber ist es deswegen schon politisch modern? Oder gar krypto-feministisch? War Shakespeare, der ja für vieles herzuhalten hat, schon eine Suffragette? Die Macht wird in diesem Stück übergeben, auch und vor allem an die Frauen und ihre „schwachen“ Ehemänner. Jedoch auch die Frauen nutzen diese Macht nicht auf andere oder bessere Art und Weise. Männer werden darin ebenso verachtet und benutzt und sogar gefol-tert wie im umgekehrten Falle. Die absurde Gewalt hat darin kein Geschlecht. Es an den heutigen Diskursen zu vermessen, dieses rätselhafte Stück der Blindheit, LEAR, lässt einen unbefriedigt zurück. Was hat das denn mit uns zu tun? Wird man besser sehend als Mensch des 21. Jahrhunderts, indem man es betrachtet, liest oder gar aufführt? Wird man nicht eher bestätigt in seiner großstädtisch blasierten Meinungsspeckschwarte?Ein alter Häuptling hat es satt. Er will nicht mehr. Er möchte, mit dem Anspruch auf Bewunderung und Dankbarkeit, bequem, satt und auch angesoffen von der eigenen Eitelkeit sich in die Rente verabsentieren, sich selbst als Träger von Funktion aus der Gleichung streichen. Und er erfindet dazu den Sozialstaat für die eine einzige Person, die ihn interessiert. Sich selbst. Die Mühen, das anstrengende Regieren, die Kriege, die Ränke – all das sollen fürderhin die andern machen, jüngere und – warum nicht? – auch die Frauen. Hauptsache, man selbst hat noch genügend Spaß. Junges Alter! Konsum! Kreuzfahrtschiff vielleicht? Und eine Eskorte von Bewunderern und Nutznießern für den Elder Statesman. Sein eigenes närrisches Unterhaltungsprogramm zur Seite. Und wehe denen, die einen nicht lieben! Die einen nicht anlügen. Oder es auf die falsche Art „gut“ mit einem meinen. Der dumme blinde Mensch von anno dazumal in einer auslaufenden Handlung. (Shakespeare schrieb sein erstes Brecht-Stück). Für das alles steht diese Parabel, dieses dunkle Märchen – auch.Doch gibt es darin eine treffendere Deutung?Die Ausgesetztheit? Der Wahnsinn? Der Sturm im Inneren? Das Hineinstürmen in den eigenen Untergang, das Stürzen über Klippen, der Selbstmord aus Gekränktheit? Möglich. Ist es das Aufhören jeglicher sinnvollen Handlung, die durch-gedrehte Hyperaktivität der letzten Generation im absurd komischen letzten Akt? Das Warten auf, dass einer kommt? Ein Gott, der uns rettet? (Shakespeare schrieb damit auch sein erstes Beckett-Stück.).Oder ist das Thema eigentlich jene Weltanschauung, welche Edmund der Bastard, die zweite Hauptfigur, sich angeeignet hat. Der verbogene, traumatisierte Zyniker. Ist er unser Bezugspunkt? Unser indirekter Ankläger? Er glaubt nicht an die große Geschäftsordnung in der Welt, an den Staat, an die Gesellschaft, an religiöse Überbauten, sondern bloß an sich selbst. Der Narzisst. Er kennt nur sich. Alle andern sind ihm Mittel zum eigenen Zweck. Er ist Machiavellis Fürst, Stirners Einzelner, Dostojewskis Nihilist. Er ist die einzige Figur, die uns anspricht, nicht wahr? In seiner Welt ist alles immanent. Nichts ist Träger eines höheren Sinns. Ist dieses Stück also die Welt des Psychopathen?Erwarten Sie, liebes Publikum, bitte von mir keine Antwort. Auch ich schlingere ganz genauso zwischen diesen Deu-tungs-Welten. Auch ich frage mich ständig: Wer sind die Rechten, Richtigen und Linken? Wer die Guten? Wer die Falschen? Gibt es einen letzten Sinn im Dasein? Oder ist alles nur absurd? Ich (wenn ich einmal persönlich werden darf) habe hier am TAG immer nur versucht, in Glutnester zu blasen. Manchmal wirbelte mehr, manchmal weniger Asche auf. Manchmal gelang ein wohliges Feuerchen. Als Theatermacher war mir nichts anderes möglich, um diesen Auftrag – die Deutung der Welt und der menschlichen Angelegenheiten darin – zu erfüllen.Wir stehen im Jahr 2025, und wie´s aussieht, kommt ein Sturm auf. Bis jetzt wenig Licht. Der alte König ist verschwunden, irgendwo auf einer Heide. Kräuter wachsen ihm auf seinem Kopf. Ein Schlusspunkt, ein über die Klippe gehen. Und natürlich ein Eingeständnis des Scheiterns. Doch am LEAR zu scheitern, ist bloß ein Sich-Fügen in das Unvermeidliche. Ein Aufschub, ein letzter Kredit. Eine Grippe-Erkrankung der Zeit. Ein Endspiel? Ein Stück über den Tod? Vielleicht.Alles beginnt, alles hat seine Zeit und – alles hört auf. Sicherheiten, Gewohnheiten, Überzeugungen, die alte Welt. Und mit dieser letzten Produktion auch das TAG. Dieser Theaterraum wird natürlich nicht verschwinden. Er verschwindet nur in seiner jetzigen Inkarnation. Der Geist weht, wo er will. Die Wiedergeburt erwartet Sie. Heißen Sie alles nach uns Kommende willkommen, liebes Publikum! Und schön, dass Sie noch einmal hier sind. Bleiben Sie uns gewogen underinnern Sie sich an dieses kleine Wachzimmer mit Milde. Auf dass man sich wiedersieht. Tschüss TAG!Gernot PlassKünstlerischer Leiter des TAG